Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf bestehende Bauverträge & Möglichkeiten der Vertragsanpassung

Der seit nunmehr fast einem Jahr mitten in Europa geführte Krieg von Russland gegen die Ukraine wirkt sich auf viele Bereiche des privaten, beruflichen und wirtschaftlichen Lebens aus. Infolge der Sanktionspakete gegen Russland ist hiervon unter anderem auch die deutsche Bauwirtschaft betroffen.

Viele Bauträger stellen sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob bestehende Verträge unter Berücksichtigung gestiegener Materialpreise sowie andauernder Lieferverzögerungen angepasst werden können und auch, wie dieser Problematik künftig entgegengewirkt werden kann.

Vertragsanpassung nach dem Grundsatz der Störung der Geschäftsgrundlage

Ohne bereits bestehende vertragliche Regelungen, die unvorhergesehene Materialpreissteigerungen und Lieferverzögerungen im bestehenden Vertragswerk berücksichtigen, kommt eine Vertragsanpassung nach dem Grundsatz der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht.

Teil der Geschäftsgrundlage ist unter anderem die Erwartung der vertragsschließenden Parteien, wonach sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht etwa durch einen Krieg oder andere Umstände höherer Gewalt ändern. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sind die jeweiligen Vertragsparteien in der Regel davon ausgegangen, dass die Baustoffe und notwendigen Zulieferungen lediglich den marktüblichen absehbaren Preisschwankungen unterliegen. Entscheidend ist daher, dass das Material zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu normalen Konditionen zu beschaffen war und dass der Vertrag vor dem 24.02.2022 abgeschlossen wurde. 

Unzumutbarkeit der Vertragseinhaltung als Voraussetzung für eine Anpassung 

Weitere Voraussetzung einer möglichen Vertragsanpassung ist, dass ein Festhalten am Vertrag für eine Vertragspartei unzumutbar ist. Zur Beurteilung der Unzumutbarkeit hat sich der BGH in seiner Rechtsprechung mittlerweile von festen Prozentsätzen der Preissteigerungen distanziert. Vielmehr ist eine Einzelfallbeurteilung durchzuführen, indem das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages zu begutachten ist, sowie die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung. Eine Unzumutbarkeit dürfte anzunehmen sein, wenn die Preissteigerungen, z.B. des Materialeinkaufs, nicht nur den für den Bauträger zu erwartenden Gewinn aufzehren, sondern auch zu Verlusten führen. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn das Risiko des preislich ungewissen Einkaufs zuvor vertraglich von einer der beiden Vertragsparteien übernommen wurde. 

Preisanpassungsklauseln standardmäßig in Bauverträge integrieren 

Um Situationen wie diese zukünftig zu vermeiden, sollten in Bauverträgen beispielsweise standardmäßig wirksame Preisanpassungs- bzw. Preisgleitklauseln aufgenommen werden. Demnach können Preise üblicherweise angepasst werden, wenn beispielsweise die Rohstoff- und Materialpreise um einen bestimmten Prozentsatz ansteigen. Dabei unterliegt die Wirksamkeit der Klauseln jedoch hohen rechtlichen Anforderungen. So müssen beispielweise die Vorgaben des Preisklauselgesetzes in Verbindung mit den AGB-rechtlichen Bestimmungen beachtet werden.

 

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